von Caroline Assad

Wie können wir uns so organisieren, dass die Eltern, die gleichzeitig Autor*innen sind, sich nicht jeden Tag zerreißen müssen, um Deadlines einzuhalten, in Zoom-Calls anwesend zu sein und sich gleichzeitig wertgeschätzt und nicht schuldig fühlen, auch wenn sie nicht jederzeit während des Arbeitstages verfügbar sein können? Ich habe mir immer wieder diese Frage gestellt, vor allem aber während der letzten anderthalb Jahre, in denen wir alle coronabedingt viel umplanen mussten.

Wenn diejenigen, die die Arbeit von Kolleg*innen strukturieren und koordinieren sollen, auch noch selbst Care-Arbeit machen, kann es schnell zu einem Gefühl der Überforderung kommen. Ich hasse es, das einzugestehen, aber meine Geduld und Ausdauer für Flexibilität und Rücksichtnahme im Team sinkt schneller in den Wochen, an denen meine Freundin und ich ihre Kinder betreuen. Ihre Kinder leben im Wechselmodell zwischen unserer Wohnung und der Wohnung der anderen Mutter. Ich könnte mich darüber beschweren, wie wenig Kinder, die im Wechselmodell, in Patchwork-Familien oder generell in einer von der Vater-Mutter-leben-gemeinsam-Mutter-bleibt-zu-Hause-Vater-arbeitet-Formel abweichenden Struktur leben, von der Politik mitgedacht werden. Aber darum geht’s hier nicht.

Ich fühle mich trotz allem privilegiert, dass ich immer eine Woche Pause nach der Kinder-Woche habe und dass meine Freundin, die eigentlich noch mehr zu tun hat als ich, wirklich die meiste Care-Arbeit übernommen hat. Manchmal denke ich, dass viele Mütter oder Care-Personen, die sich primär als solche verstehen, eine hidden superpower besitzen, die es ihnen erlaubt, alle ihre Aufgaben mit einer Klarheit und Effizienz zu erledigen, die andere nicht kennen.

Aber auch das ist natürlich Quatsch. Die hidden superpower kommt auch auf Kosten von etwas – sei es eigene Entspannungszeit, Ruhezeit, Lesezeit, Spazierzeit, Schreibzeit, ich weiß es nicht. Aber es gibt einen Preis. Umso wichtiger ist es, dass umstehende Personen, die keine Care-Arbeit leisten, Verständnis haben. Neulich hatte ich eine Arbeitssituation, die mir wie das Gegenteil von Verständnis vorkam. In einem Arbeitstreffen hatte eine Person ihre Kamera an, ihr Sohn ist hinter ihr ein wenig gehüpft und hat versucht, mit Faxen unsere Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Ich fand es richtig lustig, es war schließlich 19:00 und ich dachte, es sei eigentlich richtig nett von der Person, noch dabei zu sein, obwohl es offensichtlich spät war und sie noch Kinder zu betreuen hatte. Der Vorgesetzte dieser Person, der auch im Meeting dabei war, sagte ihr dann: „Bitte sagen Sie Ihrem Kind, es soll sich benehmen.“ Ich kenne deren Sprechstil miteinander nicht. Ich dachte kurz, dass es ein Witz gewesen sein musste. Denn der Typ ist normalerweise auch ganz nett. An ihrer Reaktion war ich mir nicht mehr sicher, ob es ein Witz gewesen war oder nicht. Sie wirkte etwas verlegen. Ich fühlte mich schrecklich, dass ich nichts gesagt hatte, dass ich nicht protestiert hatte, dass die kleine Performance des Sohns doch wirklich das trockene Treffen versüßt hatte. „NEIN“ sollte ich eigentlich schreien, bloß nicht benehmen sollte sich das Kind, das war das einzige Lustige an diesem doofen Tag, wir sollten uns benehmen und unser dummes Treffen nicht so schrecklich wichtig nehmen. Ich schickte ihr eine E-Mail hinterher und sagte, dass ich es schön gefunden hatte, mal ihr Kind zu sehen, dass ich toll fand, wenn wir die Kinder nicht verstecken müssten. Aber ich weiß nicht, ob es ihr Verlegenheitsgefühl verändert hat. Dass die Caregivers (was ist das deutsche Wort dafür?) sich verlegen fühlen, weil sie ihre berufliche Arbeit und ihre Care-Arbeit sichtbar jonglieren, ist eine Unverschämtheit. Ich finde, die Nicht-Caregivers sollten sich schämen, wenn sie dieses Gefühl vermitteln.

Nun ja, wie ist es, Autor*in in einem „neuen“ Land zu sein, oftmals ohne Familie, weil ja die Familie entweder in der Heimat oder zerstreut in anderen Ländern ist, und mit Kind, während der Corona-Zeit? Ich kann es nur teilweise nachempfinden. Ich glaube, es fühlt sich manchmal ganz schön einsam an. Die Lockerungen kamen alle zu Weihnachten und Ostern und reisen durfte man höchstens innerhalb der EU. Wir, die nicht unbedingt unser Leben um Weihnachten und Europa organisieren, mussten jonglieren und Autor*innen mit Kindern, die im Exil oder in der Diaspora leben, erst recht. Vielleicht sind aber Autor*innen etwas besser vorbereitet als andere, auf dieses Alleinsein? Sie sind letztendlich daran gewöhnt, stundenlang zu schreiben. Ich kenne aber kein*e solche*r Autor*innen, die nicht diese Zeit auch als extreme Belastung empfunden hätten. Das Einzige was ein Team oder eine Organisationsleitung tun kann, ist rücksichtsvoll zu sein, flexibel zu bleiben, nicht kleinlich und hartnäckig an Stundenzettel rumzumeckern. Die Liebe für Stundenzettel und dergleichen ist bekanntlich leider eine deutsche „Tugend“. Das Verwaltungssystem macht es einem nicht einfach mit flexibler Arbeitsaufteilung und solchen Dingen. Gut, dass wir nun alle lernen, etwas loszulassen, wegzukommen, dafür aber eine neue Form der Arbeit und der Kreativität zuzulassen.

Caroline Assad wird im Panel 3: „Weiter Schreiben – Care und Exil“ dabei sein.