von Barbara Peveling

Ich sage nicht „Achtung: politisch“, aber die Liste meiner Abtreibungen ist lang. Womit anfangen? Der Wunsch geliebt zu werden vielleicht, um meiner selbst willen, nicht für Körperformen oder Formeln, die ich bedienen kann. Konkreter aber das Praktikum bei der Stiftung in Tel Aviv. Ich war plötzlich nicht mehr allein. Sie haben aber wenig sozialpolitisches Engagement, fand der Gutachter. Ich bin alleinerziehend. Und Sie finden, das reicht? Auf dem Ablehnungsbescheid stand kein Kommentar. Dafür ständige Anschreibenvom Jugendamt. Ein Wechsel an eine Universität mit Schreibstudiengang war nicht mehr möglich. Immer mehr Striche auf meiner Liste, Blutstropfen in meinem Slip. Es gab Zeiten, da habe ich bei jedem Tropfen weinen müssen. Sie sollten die Promotion in drei Jahren abschließen. Ja, sicher, aber ich habe ein Kind. Ich auch, und eine Frau, stellen sie sich nicht so an! Beim Open Mike schämte ich mich, weil mein Kind im Saal saß, allein. Schon vor der Verteidigung wurde mir das summa cum laude wieder abgesprochen. Ob ich nicht gegen das Gutachten klagen könnte? Dann kriegen Sie Ihren Titel frühestens in fünf Jahren, sagte der Doktorvater. Später schrieb er mir, wie er sich freuen würde, über meinen Preis. Die Uni gab kein Statement ab. Auch das habe ich abgetrieben, auf etwas stolz zu sein. Preise, Titel, Stipendien. Mein Kapital ist fließendes Blut. Ich bin eine Engelmacherin. Meine Nadeln sind spitz. Keine Angst, ich beiße nicht, nur mich selbst.

Barbara Peveling wird im Panel 4: „Other Writers Need to Concentrate – Räume und Bedürfnisse“ dabei sein.